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Holzhunger vor dem Hintergrund des Klimawandels

Klimafreundlich, nachwachsend und beständig – der Rohstoff Holz ist derzeit sehr begehrt. Am 7. Februar 2023 lud die Arbeitsgemeinschaft für den Wald zu einem Runden Waldtisch an der Berner Fachhochschu­le AHB, am «Kompetenzzentrum Holz Biel und diskutierte mit 45 Fachleuten über den Holzhunger und seine Folgen für die Branche und den Schweizer Wald. 

Text: Brigitte Wolf, Geschäftsleiterin
Präsentationen: siehe unten

Nachfolgender Artikel als PDF


Die Nachfrage nach Schweizer Holz ist in den letzten Monaten massiv gestiegen. In Zeiten von Energiekrise und Klimawandel spielt der Wald eine wichtige Rolle als Rohstofflieferant. Gleichzeitig soll der Wald auch als CO2-Speicher dienen, während er vielerorts selbst immer stärker leidet unter dem Klimawandel. Da stellt sich die Frage, wie sich der Holzhunger auf den Schweizer Wald auswirkt, was der Wald der Zukunft leisten kann und wo seine Grenzen liegen. 

Mehrere Referenten gingen unter anderem auf der Frage nach, wie gross das Holznutzungspotenzial in der Schweiz ist. Während es in den Voralpen und Alpen noch unausgeschöpftes Potenzial gibt, sieht es im Mittelland anders aus. Im Kanton Aargau beispielsweise wird das nachhaltige Holznutzungspotenzial von rund 400'000 m3 pro Jahr bereits seit vielen Jahren genutzt. Zu beobachten ist gemäss Alex Arnet, Leiter der Sektion Waldbewirtschaftung, aber eine Verschiebung bei den Sortimenten. Während immer weniger Stamm- und Industrieholz geerntet wird, steigt die Energieholznutzung kontinuierlich. Die Hälfte des geernteten Waldholzes wird inzwischen als Energieholz genutzt!

Dies steht im Widerspruch zur viel propagierten Kaskadennutzung. Zwar endet «Bauholz» zuletzt vielfach als «Brennholz» im Ofen, eine Mehrfachnutzung ist aber selten. Sina Leipold, vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, forscht zum Thema Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung. Als Hürden für eine Kaskadennutzung nannte sie die fehlenden gesetzlichen Grundlagen und Anreize für Recycling, die Förderung der direkten Nutzung von Holz als erneuerbare Energie und technische Herausforderungen beim Material (Schadstoffe, Chemikalien, Qualität usw.). Zudem würden zuverlässliche Daten zur Identifizierung umweltfreundlicher Szenarien fehlen.

Andreas Keel von Holzenergie Schweiz zeigte auf, dass das Energieholzpotenzial gesamtschweizerisch zu rund 75% ausgeschöpft ist und dass das Gerangel um das letzte Viertel in vollem Gang ist. In einigen Regionen sind zurzeit mehr Anlagen zur Energieholznutzung in Planung, als Energieholz vorhanden ist. Der einstige Nachfragemarkt, hat sich seit zwei Jahren zu einem ausgesprochenen Angebotsmarkt entwickelt. Auch für Andreas Keel ist wichtig, dass man Wertholz zuerst anderweitig nutzt: «Letztlich ist alles genutzte Holz Energieholz. Wir haben Geduld!»

«Die Preise für Rundholz müssten weiter steigen, damit sich die Nutzung für die Waldeigentümerschaft lohnt.» Paolo Camin von WaldSchweiz machte deutlich, dass die Holzproduktion immer noch defizitär sei. Zudem seien die Aussichten nicht gut: Zuletzt sind die Holzpreise am Terminmarkt in Chicago auf einen neuen Tiefstand gefallen. Damit ist Bauholz jetzt so billig wie vor Corona. «Es braucht Verständnis und Respekt für das Waldeigentum und eine offene und ehrliche Diskussion über die Aufgaben, die der Wald übernehmen soll!», so Camin.

Mit sogenannten Entscheidungsunterstützungssystemen befasst sich die Eidg. Forschungsanstalt WSL. Viele dieser Systeme stecken noch in den Kinderschuhen, aber es gebe bereits viele praktische IT-Instrumente, die schon heute einsetzbar seien wie zum Beispiel das Produktivitätsmodell HeProMo oder Seilaplan (Seilkran Layout Planer), die von Janine Schweier vorgestellt wurden. «Richtig eingesetzt können diese Systeme bei der Planung und Optimierung von Holzernteprozessen und der Bereitstellung von Biodiversität und Ökosystemleistungen einen echten Mehrwert generieren», ist Janine Schweier überzeugt, «das Fachwissen der Menschen vor Ort können sie aber nicht ersetzen.»

Auch Pro Natura stellt sich hinter die Nutzung der einheimischen und klimafreundlichen Ressource Holz, dabei dürfe das Ökosystem Wald aber nicht beeinträchtigt werden; denn dieses bilde die Grundlage für sämtliche Waldfunktionen. «Wir sind gegen die Nutzung des gesamten Holzzuwachses!» betonte Elena Strozzi. Man müsse die Klima- und die Biodiversitätskrise anerkennen, dem Wald Sorge tragen und mit einer naturnahen Waldwirtschaft die Widerstandsfähigkeit des Waldes erhöhen.

Ein recht düsteres, leider aber reales Bild aus Deutschland wurde von Marc Hanewinkel von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. präsentiert. Die aktuellen Entwicklungen in Deutschland übertreffen sämtliche frühere Prognosen. Aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferkalamitäten gehen die Fachleute im Zeitraum von 2018 bis 2022 von Waldschäden in der Höhe von 15 Milliarden Euro aus. Allein 2021 entstanden Schadholzflächen von fast 100'000 Hektar. «Durch den Klimawandel wird es zu drastischen Baumartenveränderungen kommen. Davon betroffen sind vor allem die produktiven Nadelbaumarten, was enorme ökonomische Auswirkungen haben wird.» Gesucht sei der «Wunderbaum», den es nicht gebe. 

Zum Glück sind die Wälder der Schweiz (noch) nicht in demselben Ausmass vom Klimawandel betroffen. Der Kanton Aargau beispielsweise bereitet sich mit verschiedenen Massnahmen und Förderprogrammen auf den Klimawandel vor. «Um die alle Waldfunktionen sicherzustellen, ist das langfristige Ziel, die Risiken auf eine breite Baumartenpalette zu verteilen. Der Klimawandel wird die Zusammenset­zung der Hauptbaumarten verändern. Im Mittelland werden Nadelbäume mehr und mehr verschwinden. Mittelfristig gibt es noch Nutzungspotenzial in den Voralpen, dafür muss aber der Holzpreis stimmen, damit sich die Nutzung für die Waldeigentümer:innen lohnt. Holzbau und Holzindustrie müssen sich langfristig Gedanken machen, wie sie mit dem sinkenden Angebot an Nadelholz umgehen», so Alex Arnet.

Diese Überlegungen gemacht hat sich auch Fagus Suisse, ein Unternehmen für Laubholzverarbeitung, das die Produktion im März 2020 aufgenommen hat. Steve Maridor präsentierte, wie im Werk in Breuleux aus Buche und anderen heimischen Laubhölzern Elemente für den Holzbau sowie Halbfertigfabrikate und Massivholzplatten für den Möbel- und Innenausbau hergestellt werden.

Abgerundet wurde die äusserst abwechslungsreiche Tagung mit einem Vortrag von Gastgeber Ingo Mayer von der Berner Fachhochschule BFH-AHB über das Projekt «Extraktion aus Reststoffen der Wald- und Holzwirtschaft», das derzeit an der Höheren Fachschule Holz in Biel durchgeführt wird. Die Forschenden untersuchen in einer eigens dafür errichteten Extraktionsanlage, ob sich Tannine aus der Rinde heimischer Nadelhölzer gewinnen lassen und wie sie in stofflichen Anwendungen eingesetzt werden können, zum Beispiel als Grundlage biobasierter, formaldehydfreier Klebstoffsysteme. Zum Abschluss durften die Teilnehmenden die Anlage besichtigen.

Als Fazit der Runden Waldtisches darf festgestellt werden: Auf der einen Seite steht der Wunsch der Branche, möglichst viel Holz zu nutzen und die Gunst der Stunde zu nutzen, auf der anderen Seite gibt es aber auch die Sorge um das Ökosystem Wald. Einig war man sich, dass die Holznutzungsmenge nicht beliebig gesteigert werden kann, dass es aber ein grosses Potenzial gibt, das geschlagene Holz besser und wenn immer möglich mehrfach zu nutzen.