Herbstseminar 2023
Mitwirkung vor Ort
Am 14. September 2023 fand in Bülach das traditionelle Herbstseminar der Arbeitsgruppe Freizeit und Erholung und von Fortbildung Wald und Landschaft statt. Das Weiterbildungs-Seminar zeigte anhand von verschiedenen Beispielen, unter anderem aus Oftringen, Bern und Bülach, wie Partizipationsprozesse im Wald erfolgreich gestaltet werden können. Es zeigte sich, wie anspruchsvoll Partizipation im Wald ist.
In der Waldentwicklungsplanung ist Mitwirkung ein fester Bestandteil. Laut Waldverordnung haben die Kantone bei Planungen von überbetrieblicher Bedeutung dafür zu sorgen, dass «die Bevölkerung in geeigneter Weise mitwirken» kann. Oft beschränkt sich die Partizipation aber auf Information, Anhörung und Einbeziehung, also auf Vorstufen der Partizipation (Tabelle 1). Partizipation im Sinne von Entscheidungsmacht für die Teilnehmenden findet man im Wald nur selten. Im Herbstseminar lernten die Teilnehmenden Beispiele von Mitwirkung kennen und analysierten die unterschiedlichen Formen und Stufen der Mitwirkung.
Tab 1: Stufen der Partizipation, nach Sherry R. Arnstein (1969)
Mountainbiking am Engelberg
Ein solches Beispiel stellte Martin Wyttenbach von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) vor. Mit dem Projekt «Mountainbiking am Oftringer Engelberg» sollten Konflikte um illegal entstandene MTB-Trails mit attraktiven und legalen Mountainbike-Strecken gelöst werden. Die verschiedenen Interessensgruppen aus Sport, Jagd, Umweltschutz, Forst und Grundeigentum waren angehalten, auf der Karte Gebiete zu bezeichnen, in denen MTB-Strecken möglich sein sollen, wo nicht und wo unter gewissen Umständen. Nach intensiven Diskussionen entstand eine «neue» Karte mit mehreren offiziellen MTB-Trails, zusätzlich zu den erlaubten Waldstrassen. Im Gegenzug dürfen die inoffiziellen MTB-Trails künftig nicht mehr befahren werden. Ein Monitoring wird über die nächsten fünf Jahre die Umsetzung und den Betrieb dokumentieren. Dabei wird sich zeigen, ob die legalen Mountainbikestrecken kanalisierend wirken und die bisherigen Konflikte reduziert werden können.
Professionelle Begleitung sehr wichtig
Häufiger gibt es Mitwirkungsprozesse in bewohnten Gebieten, wie Tamara Eiermann vom Planungsbüro Metron Bern AG an mehreren Beispielen aufzeigte. Sie hat mehrere solche Prozesse begleitet. «Wichtig ist, dass man ergebnisoffen an die Sache herangeht und dass allen Beteiligten klar ist, welches die Ziele sind, was möglich ist und was nicht», so Tamara Eiermann. Entscheidend sei auch eine phasengerechte Wahl von Methodiken und Tools. «Deshalb empfehle ich eine professionelle Prozessbegleitung.» Bei der partizipativen Begleitung der Weiterentwicklung des Familiengartenareals Ladenwandgut in Bern beispielsweise ging es zuerst darum, den Ort zu verstehen und mit Umfragen die Bedürfnisse verschiedener Akteure zu ermitteln. Ein beauftragtes Landschaftsarchitekturbüro entwickelte daraufhin darauf Szenarien, welche danach in unterschiedlichen Arbeitsgruppen an Workshops miteinander diskutiert wurden.
Grünraum für Quartierbevölkerung
Im Rahmen des Projekts «Zukunftsbäume» in Bülach soll eine bestehende Grünfläche künftig als Baumschule und öffentlicher Freiraum koexistent genutzt werden. Gemeinsam mit der Quartierbevölkerung soll ein Raum geschaffen werden, der sich an deren Bedürfnissen orientiert. «Wichtig ist für mich der Einbezug von Bewohnerinnen und Bewohnern, die sonst keine politischen Rechte haben – also von Kindern, Jugendlichen, Migrantinnen und Migranten», erklärt Stadtförster Thomas Kuhn. «Damit möchte ich Identifikation und zivilgesellschaftliches Engagement fördern.» Er möchte auch den nächsten Betriebsplan im Wald partizipativ angehen. Dabei soll es nicht nur um die Freizeit- und Erholungsnutzung gehen, sondern auch um die Gestaltung des Waldes.
Hohe Partizipationsstufen schwierig umzusetzen
Allerdings: «Im Wald tut man sich mit stark ausgestalteter Partizipation immer noch schwer», sagte Jerylee Wilkes-Allemann, Co-Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für den Wald. Sie wisse allerdings nicht, warum das so ist, räumte sie ein. Und lieferte mögliche Erklärungen: Weil sich die Waldfachleute nur ungern dreinreden lassen? Weil die Betroffenen zufrieden sind mit dem Wald und lieber auf die Fachleute vertrauen, als darüber zu diskutieren, wie der Wald in 100 Jahren aussehen soll? Oder weil der Wald ein sehr komplexer Raum ist und neben Wohlfahrts- auch Schutz- und Nutzfunktionen erfüllen soll?
Am Seminar zeigte sich, dass Mitwirkungsprozesse dann erfolgreich sind, wenn
- klar definiert wird, welche Ziele erreicht werden sollen
- ergebnisoffen an den Prozess herangegangen wird
- klar ist, welche Akteure einbezogen werden sollen
- die Form und geeignete Instrumente zu Beginn definiert werden
- Handlungs- und Entscheidungsspielräume festgelegt und offen kommuniziert werden
- ausreichend Zeit und Ressourcen eingeplant werden.
Artikel in der Schweizerischen Zeitschrift von Forstwesen vom November 2023 (PDF)
Einführungsreferat zum Thema Mitwirkung von Andreas Bernasconi (PDF)